Königsabtei Saint Médard in Soissons

Diese 4-teilige Tour bietet einen historischen Besuch der königlichen Abtei Saint-Médard de Soissons: ihren königlichen Ursprung, ihren Bau, ihre Bedeutung und Ausstrahlung, ihren Reichtum, ihren Niedergang und ihre Demontage.
Ein aufschlussreicher und bereichernder Rundgang durch die Geschichte dieser Abtei !

 

Königsabtei Saint Médard in Soissons

 

Die Abtei Saint-Médard im Zeitalter der Wanderkönige

Die Franken, die zugleich Jäger, Krieger aber auch gute Strategen waren, beschloßen, sich am Rande von großen Wäldern niederzulassen. Dadurch verlagerte sich die Macht von den gallo-römischen Städten auf die großen ländlichen Bereiche. Chlothar I. (ca. 498 – 561), einer der vier Söhne Chlodwigs, schloss viele davon in der Nähe von Soissons zusammen, wodurch er weltliche Macht und Autorität des Himmels verband.

Nach dem Sieg Chlodwigs über die Westgoten im Jahre 496 und seiner Bekehrung zum Katholizismus, unter dem Einfluß von Königin Chlotilde, festigte die Kirche die fränkische Vorherrschaft über Gallien.

Zur gleichen Zeit breitete sich in der allgemeinen Kultur der Reliquienkult aus, als Folge der Suche nach äusserlichen Zeichen. Die Umbettung der Gebeine des Heiligen Medardus in die Nähe von Soissons führte zur Errichtung eines Mausoleums, das bald zur Basilika wurde.

Eine fränkische Königin, die Heilige Bathilde (ca. 630 – 680), Tochter eines Sklaven, spielte eine entscheidende Rolle bei der Vereinheitlichung der religiösen Praktiken. Sie brachte die großen Abteien des Königreichs, allen voran Saint-Médard, dazu, die Mönchsregel des Heiligen Benedikt anzunehmen.

Frauen hatten in der kriegerischen Gesellschaft der Merowinger eine herausragende Stellung. Insbesonders waren sie befähigt, das Königreich zu gleichen Teilen an ihre Kinder weiterzugeben. So wurden die Königinnen Fredegunde und Brunichild, die jeweiligen Ehefrauen der Könige Chilperich I. und Sigisbert I., Auslöser und Akteure endloser Bruderkämpfe

 

Der Mythos vom römischen Kaiserreich : Die karolingische Renaissance

Unter der Herrschaft des “guten Königs Dagobert” findet ein Dynastiewechsel statt. Die Pippiniden, eine hochangesehene fränkische Familie, übernehmen nach und nach die Macht der Merowinger. Im Jahr 687, übernimmt Pippin von Herstal als Hausmeier die wirkliche Macht.

732, gelingt es Karl Martell (“Karl dem Hammer”) in Poitiers das Ansehen der Dynastie zu bewahren indem er die Invasion der Araber zurückschlägt. Sein Sohn, Pippin der Kurze, wird 751 mit Unterstützung des Papstes zum König gewählt und in Soissons durch die fränkischen Bischöfe auf den Thron erhoben. Sein Enkel, Karl der Große, vollendet den kaiserlichen Mythos indem er im Jahre 800 den Titel “Kaiser des heiligen römischen Reiches” annimmt. Nach dem Papst erkennt auch der Kaiser von Ostrom Karl den Großen im Jahre 813 unter diesem Titel an.

Der Begriff „karolingisch“ bezieht sich auch auf die intensive politische und kulturelle Tätigkeit dieser Zeit. Es entstehen zahlreiche Kathedralen und Klöster, die Kunst steht in Blüte. Durch das literarische Vermächtnis der Antike und die Abschrift der Texte glänzt die palatinisch imperiale Schule intellektuell.

Die Karolinger sind zudem auch Kriegsherren, die sich die Einnahmen der Klöster angeeignet haben. Saint-Médard entgeht diesem Prozess teilweise. Von 823 bis 860 entstammen die Äbte von Saint-Médard aus königlichen und aristokratischen Familien. Hilduin der I., Abt bis zum Jahre 830, vereinigt somit die Einkünfte von Saint-Denis und Saint-Germain-des-Prés. Karleman, Sohn von Kaiser Karl dem Kahlen, wird der erste weltliche Abt.

Die zentrale Macht der Karolinger zerfällt mit dem Aufkommen des Feudalismus. Die Abtei von Saint-Médard bemüht sich, in die Zuständigkeit des Papstes zu gelangen um diesem Niedergang zu entgehen.

 

Der König als Kaiser in seinem Reich

Von Philipp II. (1165-1223) bis zur Moderne : Entstehung des Staates, der Städte und der Universität

Die klösterliche Reform der Abtei von Cluny gegen 910 und die anschließende gregorianische Reform ab 1076 ermöglichen der Kirche, erneut eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der königlichen Macht zu erlangen, wobei sie sich auf die sehr einflussreichen Abteien von Saint-Denis, Saint-Germain-des-Prés und Saint-Médard abstützt.

Im 13. Jahrhundert macht König Philipp II. (Philippe Auguste) sein Königreich zum mächtigsten Reich der christlichen Welt. Paris wird die Hauptstadt und wird durch die Erbauung einer Stadtmauer geschützt. In Saint-Médard finanziert Philipp II. die Aussenmauer der Abtei.

Ludwig der Heilige (Saint-Louis, 1214-1270) verfolgt die Zentralisierung der Macht weiter indem er einen Gerichtshof gründet, königliche Inspekteure einsetzt und Goldmünzen prägen lässt. Philipp der Schöne (Philippe Le Bel), König von 1285 bis 1314, führt das System zum Höhepunkt. Er schafft einen Rechnungshof und lässt sich von „Versammlungen der Nation“ beraten. Die königlichen Behörden, mit ihren Rechtsgelehrten, bilden die Vorherrschaft der königlichen Einrichtung. Von nun an ist „der König Kaiser in seinem Königreich“. Die Grundlagen der absoluten Monarchie sind gegeben. Ungünstige Ereignisse im Bereich der Diplomatie wie auch der Religion reihen sich aneinander. Der hundertjährige Krieg (1337-1453), die große Pest (1347-1352) und das große Schisma (1378-1417) machen der Gründerzeit ein Ende.

Die schwierigste Zeit steht allerdings noch bevor. Die Religionskriege, während denen sich Katholiken und Protestanten bekämpfen, verwüsten die Kultstätten. Im zweiten Religionskrieg (1567-1586) wird Soissons während sechs Monaten von den Truppen des Fürsten von Condé besetzt. Die Kirchen und Abteien werden geplündert und verwüstet. Saint-Médard entgeht dieser Massenzerstörung nicht, und das Kloster wird zu Grunde gerichtet.

 

Von der langsamen Säkularisation bis zum weltlichen Staat

Um seine verdienstvollen Untertanen zu belohnen kann der König sie zum ehrenamtlichen Abt ernennen und ihnen die Einnahmen eines Klosters zukommen lassen : die Kommende ist es, die den Prozess der Säkularisation beschleunigt.

Die angesehenen Äbte von Saint-Médard, der Kardinal Hans von Lothringen, ein Vertrauter von Friedrich des I., Mazarin, Kardinal, der kein Priester war, der Abt von Pomponne, Botschafter in Venedig, der Kardinal von Bernis, Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten, waren zwar oft vom XVI. bis XVII. Jahrhundert kluge Verwalter, trugen aber nicht zum geistlichen Leben bei.

Das System zeugt von der ökonomischen Macht der großen Abteien. Eine neue Reform der Benediktiner gründet die hochgelehrte Kongregation von Saint-Maur und lässt sich 1636 in Saint-Médard nieder. Somit profitiert das Kloster von einer gewissen Aura, die anschließend schnell wieder durch die Aufklärung im 18. Jahrhundert in Frage gestellt wird. Die französische Revolution beschlagnahmt die kirchlichen Güter zu Gunsten des Staates. Alle Männer- und Frauenorden werden geschlossen, und die Ordensbrüder und Nonnen werden verjagt. Die Güter der Abteien werden beschlagnahmt. Die Abtei Saint-Médard ist sehr heruntergekommen und wird fast vollständig zerstört. Die Steine werden 1793 verkauft. Als Zeichen des Niedergangs innerhalb der traditionellen Gesellschaften wird 1803 eine Gerberei auf den Gebeinen der Heiligen errichtet. Dann zeichnen sich für Saint-Médard neue Bestimmungen ab, angeregt von dem grossen Potential der nunmehr ungenutzten Bauten. Im Jahre 1840 entsteht ein Institut für Taubstumme, was eine Wiederherstellung des Sinns für Soziales in der Gesellschaft ankündigt. Dies setzt sich im XX. Jahrhundert fort mit der Einrichtung der Erziehungsstätte „La Cordée“ im Jahre 1968 im Rahmen der Kindersozialhilfe.